Sonderkündigungsschutz: Tipps für Personalentscheidungen
10. Juli 2025

Sonderkündigungsschutz: Tipps für rechtssichere Personalentscheidungen

Kündigungen sind immer ein heikles Thema. Aber gerade dann, wenn es um besondere Personengruppen, die dem Sonderkündigungsschutz unterliegen, geht, solltest du als Arbeitgeber besonders gut über die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen Bescheid wissen.

Ich gebe dir in diesem Artikel einen Überblick, welche Mitarbeiter Sonderkündigungsschutz genießen. Du erhältst Einblick in die geltenden Regelungen und erfährst, was dich im Falle von Mitarbeitenden mit Sonderkündigungsschutz erwartet.

Ich erläutere dir auch, wie ich dir als Fachanwältin für Arbeitsrecht helfen kann, damit du gravierende Fehler – die neben unnötigem Ärger auch hohe finanzielle Kosten nach sich ziehen können - vermeidest. 


Was ist unter Sonderkündigungsschutz zu verstehen?

Sicher hast du schon mal den Ausspruch gehört, ein Arbeitnehmer sei „unkündbar“. Vorausgeschickt: Wirklich unkündbare Arbeitnehmer gibt es nicht.

In Betrieben, die die Grenze zum Kleinbetrieb überschritten haben, gilt für die Mitarbeitenden grundsätzlich der sog. allgemeine Kündigungsschutz. Dieser ist im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verankert und schränkt die Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers ganz erheblich ein. Er besagt insbesondere, dass du als Arbeitgeber einen Mitarbeitenden nur dann kündigen kannst, wenn du dich auf personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe berufen kannst. 

Es gibt allerdings Personengruppen, welche der Gesetzgeber als besonders schützenswert definiert hat. Sie genießen - ggf. zusätzlich zum allgemeinen Kündigungsschutz - Sonderkündigungsschutz. Das bedeutet, dass sie nur unter erschwerten Bedingungen, insbesondere nur nach Zustimmung bestimmter zuständiger Stellen / Behörden, gekündigt werden dürfen.

Die genauen Anforderungen an eine Kündigung von Mitarbeitenden mit Sonderkündigungsschutz sind unterschiedlich. Die Details ergeben sich aus verschiedenen, für die jeweilige Personengruppe geltenden Gesetzen.


Welche Personengruppen fallen unter den Sonderkündigungsschutz?

Die besonders schutzbedürftigen Mitarbeitergruppen kann man in zwei Kategorien teilen – Mandatsträger und Arbeitnehmer in besonderen Lebenssituationen.

Arbeitnehmer die aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation Sonderkündigungsschutz genießen sind:


Schwangere und Mitarbeiterinnen in Mutterschutz

Das Mutterschutzgesetz regelt in § 17 ein Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerinnen, die nach der 12. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden. Sobald dir also eine Mitarbeiterin mitgeteilt hat, dass eine Schwangerschaft besteht, unterliegt sie diesem Schutz.

Solltest du eine Mitarbeiterin ohne Kenntnis einer Schwangerschaft gekündigt haben, hat diese die Möglichkeit, bis zu zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Mitteilung nachzuholen. Der besondere Schutz gilt auch in diesem Fall. Grundsätzlich gilt, dass eine Mitarbeiterin zumindest 4 Monate nach erfolgter Entbindung nicht gekündigt werden darf.

Wichtig: Diese Vorschriften gelten auch innerhalb der Probezeit / Wartezeit nach dem KSchG. 

Es gibt Ausnahmen, die eine Kündigung auch in den vorgenannten Fällen rechtfertigen können. Dazu gehört beispielsweise Straffälligkeit. Erforderlich ist dann aber die Zustimmung der Landesbehörde.


Mitarbeiter in Elternzeit

Der Kündigungsschutz während der Elternzeit gilt für Mütter und Väter gleichermaßen. Geregelt in § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wirkt dieser besondere Kündigungsschutz bereits vor Beginn der Elternzeit. Abgestellt wird auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Elternzeit.

In der Praxis heißt das: Ist das Kind jünger als 3 Jahre, beginnt der Kündigungsschutz frühestens 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit, ist das Kind im Alter von 3 bis 7 Jahren, beginnt die Schutzfrist frühestens 14 Wochen vor Beginn der geplanten Elternzeit. Auch hier kann die zuständige Landesbehörde eine Ausnahme bewilligen. Auch in der Elternzeit kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis in engen Ausnahmefällen und mit Zustimmung der Behörde kündigen.


Mitarbeiter, welche Pflegezeit in Anspruch nehmen

Kümmert sich dein Arbeitnehmer um pflegebedürftige Angehörige, ist seine Kündigung nur ausnahmsweise und unter Zustimmung der Landesbehörde möglich (§ 5 Pflegezeitgesetz). Der Sonderkündigungsschutz beginnt, sobald der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Inanspruchnahme von Pflegezeit angekündigt hat, höchstens jedoch 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn. 


Schwerbehinderte

Für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte Beschäftigte gibt es - anders als für die vorgenannten Fallgruppen - kein grundsätzliches Kündigungsverbot. Möglich sind somit grundsätzlich ordentliche wie außerordentliche Kündigungen.

Allerdings müssen formale Anforderungen beachtet werden. So muss vor Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zum einen die Schwerbehindertenvertretung eingebunden werden, sofern eine solche im Betrieb gewählt ist, § 178 Abs. 2 SGB IX. 

Zum anderen bedarf die Kündigung der Zustimmung des Integrationsamtes, §§ 168 ff SGB IX. 

Der Sonderkündigungsschutz Schwerbehinderter greift allerdings erst nach 6-monatiger Unternehmenszugehörigkeit.

Wichtig: Der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte greift sogar dann, wenn der Arbeitgeber gar keine Kenntnis davon hat, dass der Mitarbeitende überhaupt schwerbehindert ist, sofern der Mitarbeitende die Mitteilung über das Vorliegen der Schwerbehinderung/Gleichstellung innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung nachholt. 


Auszubildende

Ausbildungsverhältnisse dürfen nach Ablauf der Probezeit nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden, § 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Die der Kündigung zugrunde liegenden Gründe müssen hier - ausnahmsweise - auch ausdrücklich im Kündigungsschreiben mitgeteilt werden. 

Achtung: Die Probezeit bei Ausbildungsverhältnissen beträgt - anders als sonst üblicherweise - nicht sechs, sondern nur vier Monate. Das wird in der Praxis häufig übersehen.


Wehrdienstleistende und Zivildienstleistende

Nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz unterliegen auch Wehr- und Zivildienstleistende besonderem Kündigungsschutz. Von der Zustellung des Einberufungsbescheides bis zur Beendigung des Grundwehrdienstes sowie während einer Wehrübung ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Die Ableistung von Wehr -oder Zivildienst darf in jedem Falle nicht zum Anlass der Kündigung genommen werden, § 2 ArbPlSchG.


Mandatsträger

Zu den schutzbedürftigen Mandatsträgern gehören Schwerbehindertenvertreter, Betriebsrats- und Personalratsmitglieder, Vertreter der Jugend- und Auszubildendenvertretung, Wahlvorstände und Wahlbewerber.

Die genannten Personengruppen unterliegen ebenfalls einem Sonderkündigungsschutz, da ihre Aufgabe erfahrungsgemäß auch Konfrontationen mit Arbeitgebern hervorrufen kann. Kennst du das aus deinem Unternehmen?

Deshalb darf diesen Mitarbeitern auch nur außerordentlich aus wichtigem Grund und nach Zustimmung des Betriebsrates gekündigt werden. Eine weitere Besonderheit ist, dass der Kündigungsschutz sogar eine begrenzte Zeit nach Beendigung des Mandats nachwirkt. Die Einzelheiten regeln §§ 15 KSchG, 103 BetrVG. Bitte lass dich in all diesen Fällen unbedingt beraten.


Tarifliche/Einzelvertragliche Unkündbarkeit

Einige Tarifverträge, manchmal auch Einzelarbeitsverträge, sehen die Unkündbarkeit bestimmter Mitarbeitergruppen vor, insbesondere aufgrund von Alter oder einer bestimmten Betriebszugehörigkeit. Auch hier gilt: Es handelt sich nicht um eine absolute Unkündbarkeit, sondern gekündigt werden darf von Seiten des Arbeitgebers nur noch unter bestimmten Bedingungen, zumeist aus wichtigem Grund.


Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Vorschriften zum Sonderkündigungsschutz

In allen Fällen, in denen gegen die Regelungen zum Sonderkündigungsschutz verstoßen wurde, insbesondere, wenn notwendige Zustimmungen nicht eingeholt wurden, gilt: Die Kündigung ist unheilbar unwirksam. Eine nachträgliche Genehmigung gibt es nicht, selbst dann nicht, wenn dem Mitarbeitenden ein schwerer Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, etwa Straftaten, zur Last gelegt wird. 

Allerdings muss der gekündigte Mitarbeiter diese Unwirksamkeit innerhalb von 3 Wochen im Wege der Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht geltend machen. 

Im Kündigungsschutzprozess trägst du als Arbeitgeber dann die volle Darlegungs-und Beweislast dafür, dass du die aus dem jeweiligen Sonderkündigungsschutz resultierenden Vorgaben eingehalten hast. 

Wichtig: Sofern eine behördliche Zustimmung wie bspw. des Integrationsamtes nötig ist, muss diese teilweise innerhalb bestimmter Fristen eingeholt werden. Wird dies versäumt, kann sich der Arbeitgeber später ggf. nicht mehr auf den Kündigungsgrund berufen. Gewinnt der Arbeitnehmer also den Kündigungsschutzprozess, kann der Arbeitgeber die Kündigung nicht einfach wiederholen. 


Teilweise muss der Arbeitgeber auch, wenn die Zustimmung der Behörde einmal erteilt ist, die Kündigung wiederum innerhalb bestimmter Fristen aussprechen, sonst verfällt die Wirkung der Zustimmung.


Übrigens, eins ist natürlich klar: Für Arbeitnehmer-Anwälte ist ein solcher Faux-pas des Arbeitgebers bei der Einholung notwendiger Zustimmungen wegen Sonderkündigungsschutz natürlich ein gefundenes Fressen: Hierdurch steigen nicht nur die Chancen des Arbeitnehmers, den Prozess zu gewinnen. Was ebenso steigt, sind die Möglichkeiten, eine hohe Abfindung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs herauszuhandeln. 


Es gilt deshalb einmal mehr: Lass dich unbedingt vor Ausspruch der Kündigung von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten. Es ist mehr als ärgerlich, einen Mitarbeiter, den man hätte kündigen können (und aus betrieblicher Sicht auch hätte kündigen müssen) weiterbeschäftigen oder ihm auch noch eine Abfindung “hinterherwerfen” muss, nur weil man die Einhaltung des notwendigen Prozederes versäumt hat.


Einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen / Befristungen

Die vorstehend erläuterten Bestimmungen über die Beschränkungen wegen Sonderkündigungsschutz des Mitarbeitenden greifen nur für Kündigungen durch den Arbeitgeber. Sie schließen einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen, etwa durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages, nicht aus. Hier kann der Mitarbeitende - anders als bei einseitiger Kündigung des Arbeitgebers - ja selbst an der Beendigung mitwirken. Tut er dies, verzichtet er quasi gleichermaßen auf seinen besonderen Schutz. 

Auch Befristungen sind möglich. So dürfen befristete Verträge auch dann vertragsgemäß auslaufen, wenn etwa die Mitarbeiterin im Zeitpunkt des Auslaufens schwanger ist oder sich in Elternzeit befindet oder der Mitarbeitende schwerbehindert ist. Einer behördlichen Zustimmung bedarf es nicht.   

Eine Ausnahme hiervon gilt wiederum, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einzel- oder tarifvertraglicher Regelung automatisch enden soll, wenn der Mitarbeitende etwa eine Rente wegen Erwerbsminderung oder -unfähigkeit erhält. In diesen Fallen muss vor dem Beendigungszeitpunkt die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden.


Praktische Tipps für Arbeitgeber

Sofern du beabsichtigst einen Mitarbeiter, welcher Sonderkündigungsschutz genießt, zu kündigen, rate ich dir, unbedingt frühzeitig rechtliche Beratung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht einzuholen. Bedenke, dass die erforderlichen Maßnahmen teilweise einige Zeit in Anspruch nehmen können und teilweise später auch nicht mehr nachholbar sind. 


Dein Anwalt für Arbeitsrecht wird von dir eine saubere Dokumentation der Vorgänge erfragen. Du solltest also entsprechende Gesprächsnotizen, eventuelle Abmahnungen und sonstige relevante Informationen zur Person des Arbeitnehmers und den Hintergründen der Kündigung vorbereitet haben.


Dein Arbeitsrechtsexperte wird den Einzelfall mit dir besprechen, dich über Risiken informieren und die jeweils erforderlichen Prozessschritte genau erläutern.


Wie ein Anwalt für Arbeitsrecht unterstützen kann

Meine Aufgabe als Fachanwältin für Arbeitsrecht ist es, den Einzelfall zu prüfen und dich zu beraten, wie das beste Vorgehen ist. Wir besprechen sowohl dein Ziel als auch eventuelle Zwischenschritte.


Ich kann aus meiner Unternehmenspraxis nachvollziehen, dass die Verzweiflung oft groß und der Wunsch, sich schnellstmöglich vom Mitarbeiter trennen zu können, sehr präsent sein kann. Dennoch ist es meine Aufgabe, die nötige Vorsicht walten zu lassen und vorschnelle Kündigungen möglichst zu verhindern. Ich berate dich, welche Zwischenschritte notwendig sind oder welche Alternativen bestehen, um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglichst risikolos zu gestalten.

Die Beratung durch einen Arbeitsrechtsexperten solltest du unbedingt in Anspruch nehmen. Kündigungsrecht im Allgemeinen ist sehr speziell und bietet zahlreiche Fallstricke für Arbeitgeber. Beim Eingreifen von Sonderkündigungsschutz gilt dies um ein Vielfaches mehr.


Ich berate dich auch bei der Ausfüllung der notwendigen behördlichen Anträge und vertrete dich in einem eventuell folgenden Kündigungsschutzprozess. 


Fazit

  • Besondere Personengruppen unterliegen einem Sonderkündigungsschutz.
  • Diese Gruppen dürfen nur unter engen Voraussetzungen und oft nur mit behördlicher Zustimmung gekündigt werden.
  • Rechtliche Grundlagen und Fristen sind in spezifischen Gesetzen geregelt (z. B. MuSchG, SGB IX, BEEG, KSchG).
  • Einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen bleiben zulässig.
  • Fehlende oder fehlerhafte Beachtung des Sonderkündigungsschutzes kann zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten und hohen Folgekosten (Abfindung) führen.
  • Empfehlung: vor jeder Kündigung rechtlichen Rat einholen.
  • Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstützt bei rechtlicher Bewertung, behördlichen Anträgen und Kündigungsschutzprozessen.


Du hast weitere Fragen zum Thema Sonderkündigungsschutz?

Kontaktiere mich gerne jederzeit oder buche dir einen Gesprächstermin für ein unverbindliches Erstgespräch. Gemeinsam finden wir sicher eine Lösung für dein individuelles Anliegen.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

  • Was bedeutet Sonderkündigungsschutz?

    Der Sonderkündigungsschutz schützt bestimmte Arbeitnehmergruppen, die der Gesetzgeber als besonders schutzbedürftig ansieht. Eine Kündigung ist hier nur unter besonderen Voraussetzungen und oft mit behördlicher Zustimmung möglich.

  • Was passiert, wenn ein Arbeitgeber die Regelungen zum Sonderkündigungsschutz missachtet?

    Eine Kündigung ohne Berücksichtigung des Sonderkündigungsschutzes ist unwirksam. Der Arbeitnehmer kann eine Kündigungsschutzklage einreichen, was zu erheblichen Kosten und einem möglichen Weiterbeschäftigungsanspruch führen kann.


  • Wie kann ein Anwalt für Arbeitsrecht Arbeitgeber unterstützen?

    Ein Anwalt prüft den Einzelfall, berät zu rechtlichen Möglichkeiten, bereitet behördliche Anträge vor und vertritt Arbeitgeber in Kündigungsschutzprozessen. Das minimiert das Risiko teurer Fehler und unnötiger Rechtsstreitigkeiten.

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Es ist daher schon aus diesem Grund dringend zu empfehlen, einen Arbeitsvertrag miteinander zu schließen, der den Rahmen regelt und darin auch festzulegen, an wie vielen Tagen in der Woche die Beschäftigung erfolgt. Abgaben und Sozialversicherung Auch bei der Betrachtung der Abgaben, die der Arbeitgeber bei 450 Euro-Kräften zahlt, erscheint ein Minijob für den Arbeitgeber im Verhältnis sogar erstmal teurer. Denn hier zahlt der Arbeitgeber Sozialabgaben nebst 2% Pauschalsteuer im Wesentlichen allein. Die pauschalen Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung, zur gesetzlichen Unfallversicherung, Umlagen und Steuern summieren sich im gewerblichen Bereich auf insgesamt maximal 31,28 Prozent (im Privatbereich, also für haushaltsnahe Dienstleistungen, auf 14,79 Prozent). 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Eigentlich war die Idee wohl sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer auch sicher nicht schlecht - niedrige Hürden, leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt, mehr Vollbeschäftigung in der Folge. Die Praxis sieht nur leider anders aus: Minijobs verdrängen Festanstellungen Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat es in seiner jüngsten Studie belegt – Minijobs verdrängen allein in kleinen Betrieben bis zu 500.000 sozialversicherungspflichtige Stellen. Ein zusätzlicher 450 Euro Job ersetzt laut der Studie rund eine halbe durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Stelle. Das sind wirklich hohe Zahlen, die der eigentlichen Absicht entgegenstehen! Das ist zwar aus Arbeitgeber-Sicht irgendwie nachvollziehbar, aber geht es nicht auch anders? Nehmen wir all die Studenten oder Nebenjobber aus der Betrachtung - sie haben andere Beweggründe - so bringt diese Form der Beschäftigung tatsächlich einige Nachteile für die Arbeitnehmer: • Geringfügig beschäftigte Mitarbeiter verbleiben oft im Niedriglohnsegment. Welcher Stundensatz wird durchschnittlich gezahlt? Ich kenne wenige 450 Euro Kräfte, die Stundensätze von mehr als 11 Euro erhalten. • Zumeist werden Tätigkeiten unterhalb des eigentlichen Qualifikationsniveaus des Beschäftigten ausgeübt • Arbeitnehmerrechte werden häufig vorenthalten • Rentenversicherungsansprüche werden nur dann erworben, wenn freiwillig Beiträge gezahlt werden, die vom ohnehin schon nicht grade üppigen Verdienst einbehalten werden. • Und dass man von 450 Euro allein nicht leben kann, dürfte wohl auch außer Frage stehen Wie kann es anders gehen? Ich verstehe, wenn kleine Unternehmen nach der Gründung erstmal mit einer 450 Euro-Kraft anfangen und sich darüber langsam an das Thema „eigene Mitarbeiter beschäftigen“ herantasten wollen. Auch macht es total Sinn, wenn Unternehmen für Engpässe, temporäre Unterstützung oder überschaubare zusätzliche Aufgaben 450 Euro Kräfte beschäftigen. Genauso kenne ich aber auch viele Fälle, wo diese Form der Beschäftigung schon über lange Zeiträume ausgeübt wird, wo sogar Arbeitszeitkonten geführt werden, weil immer mehr Arbeit anfällt, als durch maximal 450 Euro vergütet werden kann. Diese Kontenlösung bewegt sich dabei durchaus gern mal in der Grauzone, denn zum einen darf durch zusätzliche Arbeit nicht der Mindestlohn unterschritten werden; zum anderen muss neben dem Aufbau von Stunden auch ein zeitnaher Abbau erfolgen, ansonsten ist die Einstufung als geringfügige Beschäftigung in Gefahr. Eine Lösung sind solche Konten daher nur bei geringen Schwankungen und dies in beide Richtungen. Werden die Rahmenbedingungen nicht eingehalten, kann dies dazu führen, dass der geringfügigen Beschäftigung nachträglich die Berechtigung aberkannt wird mit der Folge, dass sie als von Anfang an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angesehen wird. Ein verdammt teurer „Spaß“, den man unbedingt vermeiden sollte! Umdenken gefragt Wie wäre es daher, in genau diesen Fällen mal „Nägel mit Köpfen“ zu machen? Man hat sich kennengelernt, weiß um die fachlichen und menschlichen Qualitäten und sollte als Personalverantwortlicher gut beurteilen können, ob eine dauerhafte Zusammenarbeit vorstellbar ist. Liebe Arbeitgeber, gebt den Mitarbeitern doch diese Chance und die Möglichkeit besser sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu sein und mehr Sicherheit und Perspektive zu erlagen! Es muss ja nicht gleich die Vollzeitbeschäftigung sein; aber denkt doch einmal ernsthaft darüber nach, zumindest im Rahmen der Gleitzone oder im Rahmen einer Teilzeit einzustellen. 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Wenn du mehr zum Thema wissen willst, sprich mich gern an. Weitere Informationen zum Thema findet ihr z.B. auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit sowie der Minijobzentrale
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